Die Folge über Sag mal, wie war das damals eigentlich?
Shownotes
Wie ist es, wenn es die eigene Heimat in dem Sinne gar nicht mehr gibt? Wenn sie statt Sehnsuchtsort oder manifestierte Geborgenheit zu sein, schlicht nicht mehr exis-tiert?
Nun, die DDR gibt es nicht mehr und doch ist ein großer Teil der deutschen Bevöl-kerung dort aufgewachsen, hinter der Mauer, zwischen Diktatur und sozialistischem Ideal. Nach der Wiedervereinigung waren sie plötzlich Deutsche, aber kann es tat-sächlich so einfach sein? Was bedeutet es für eine Generation und ihre Nachkommen, wenn es die alte Heimat kaum mehr gibt und man sich so plötzlich einem anderen System anpassen muss?
In der zweiten Folge mit Sarahs Mutter fragen wir: Sag mal, wie war das damals eigentlich?
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00:00:00: Tach!
00:00:00: Und Servus, aus zwei freie Staaten.
00:00:03: Ich bin Sarah, die hundertprozentdeutsche, aber auch fünfzigprozents- sudanesische Studentin aus Sachsen.
00:00:08: Und ich bin Carmen, die hundertprozentitalienische, aber auch fünfzwanzigprozentdeutsche, Wildnisreferentin der Peter Kelly Stiftung in Bayern.
00:00:16: Und ihr seid bei dem Podcast Die Farbe der Nation gelandet.
00:00:20: Was machen wir hier?
00:00:21: Hier reden wir über komplizierte Themen wie Alltagsrastismus, Identität, Heimat und Integration mit einer gewissen Ironie und ganz direkt.
00:00:30: viele diese Themen betrachten, aber eher über die Integration der anderen Reden als über die eigene Erfahrung.
00:00:36: So folgt uns bei dieser ewigen Diskussion.
00:00:53: Genau, wir wollten noch eine Folge machen über diese Identitätsgefühl der Ostdeutsche.
00:01:03: Ich finde das Thema ist für mich sehr spannend, weil ich bin im Endeffekt Zum ersten Mal länger als ein paar Stunden
00:01:14: im Osten.
00:01:16: Nee,
00:01:16: wirklich.
00:01:18: Willkommen.
00:01:19: Völlig unbekanntes Land.
00:01:29: Ich war immer neugierig zum sehen, welche Unterschiede wirklich gibt es, ob man das auch
00:01:37: an den Menschen
00:01:37: sieht, beziehungsweise an den Architektur und alles.
00:01:41: Ich war gestern total überrascht, wie schön beispielsweise den Leipziger
00:01:46: Bahnhof ist.
00:01:48: Es ist
00:01:49: echt schön.
00:01:50: Es hat ein bisschen von Paris.
00:01:53: draußen
00:01:53: in diese stale
00:01:56: Struktur,
00:01:58: beziehungsweise von der Central Station
00:02:00: in Jürgen.
00:02:02: Das
00:02:02: ist
00:02:02: echt wunderschön.
00:02:04: Der ist ja wirklich so richtig Industriekultur.
00:02:07: Du stammt ja auch aus der Grunderzeit, also wach zum Wunder und noch was.
00:02:10: Also so richtig schön alte Architektur.
00:02:13: Cool.
00:02:14: Also toll.
00:02:16: Ich bin wirklich beeindruckt, weil ich hatte eigentlich keine Idee, wie es aussehen sollte.
00:02:23: Ich hatte nur diese Intergrund von der Geschichte und auch von den Soli.
00:02:29: Also auch die jeweilige so wirtschaftliche
00:02:32: Schwierigkeit
00:02:33: nach der Wende.
00:02:34: Und auch diese Hintergrund, dass Brigida hier so starker ist, also viel stärker als im Wessen.
00:02:42: Und ich hatte aber wirklich keine richtige Vorstellung, wie es hier aussieht und auch nicht so viele Menschen begegnet.
00:02:49: die diese Intergrund haben.
00:02:51: Deswegen fand ich das Gespräch heute beim Frühstück total spannend, weil ich habe zum ersten Mal überlegt, krass, wir haben schon mit Sarah mehrmals Truppe gesprochen über diese Identitätsgefühl, wenn du beide Länder nicht richtig gut kennst beziehungsweise, wie in meinem Fall, ich komme aus einem anderen Land, aber ich fühle mich auch hier zu gehörig.
00:03:14: Also du hast mindestens, sagen wir mal, wenn Sarah Bock hätte, längere Zeit im Sudan zu ziehen
00:03:23: oder die Verwandte
00:03:24: zu besuchen, kann sie das machen.
00:03:27: Während die Ostdeutsche
00:03:29: können das nicht mehr machen.
00:03:30: Weil es existiert nicht mehr.
00:03:32: Es existiert nicht mehr, ne?
00:03:34: Also, das ist wirklich... Also, das einzige Weg wäre so, wenn man eine Zeitmaschine entdeckte, so ein TARDIS, um zurück in der Vergangenheit zu fahren.
00:03:45: Das ist echt...
00:03:48: Deswegen gibt es ja auch so Formen von Ost-Halgie.
00:03:54: Du hängst halt an einer bestimmten Musik oder hier gut bei Leningen.
00:03:58: Das war ja so ein Film.
00:03:59: Also auch so eine Melancholie dessen, was verloren gegangen ist.
00:04:04: Also ich bin im Sozialismus groß geworden.
00:04:08: Also ich habe quasi ja meine Jugend und bis ich dreißig war im Sozialismus.
00:04:11: In welchem Jahr bist du geboren oder nicht?
00:04:13: Achtundfünfzig.
00:04:16: Und mein Vater war Parteisekretär.
00:04:19: Meine Mutter war auch in der SED.
00:04:22: Mein Bruder war in der SED.
00:04:24: Ich bin mit dem Ganzen groß geworden.
00:04:27: Ich finde nach wie vor an sich die Idee des Sozialismus im Gegensatz zu dem Kapitalismus, den wir jetzt haben.
00:04:35: Ich hab durch meinen Studium sehr viel mit Marx beschäftigt und Engels.
00:04:39: Lenin fand ich schon immer furchtbar, aber ... Und das ... Es führt natürlich auch Ängste.
00:04:46: Das betrifft alle, das ganze Thema Globalisierung und so weiter.
00:04:51: Wir sind ja auch in einer gesellschaftlichen Bewegung, wo wir die Konsequenzen eigentlich noch gar nicht für uns bedacht haben.
00:05:00: Das war ja auch im Sozialismus eine Vision, eine Vorstellung von Zukunft.
00:05:04: Es wird alles viel schöner, besser.
00:05:07: Und plötzlich ist gar nichts besser.
00:05:10: Also, gerade durch die Wände sind so viele Biografien einfach nichts mehr mehr zusammengebrochen, völlig entwertet, was man vorher gemacht hat und das erzeugt natürlich Frust.
00:05:22: Also, meine ich selber war gerade in den letzten Jahren, obwohl ich eben diesen Hintergrund habe.
00:05:28: sehr kritisch mit dem Sozialismus, weil ich eben aus Erfahrungen halt auch durch meine binationale Beziehungen gemerkt habe, wie das auseinandergeht.
00:05:37: Also diese Ideologie und diese Vorstellung von Sozialismus.
00:05:42: Wir Freundschaft, Frieden, so weiter.
00:05:45: Eine internationale Solidarität.
00:05:47: Und sobald du aber nicht mehr dieser Norm entsprochen hast und kritische Fragen gestellt hast, dann warst du raus.
00:05:54: Ja.
00:05:54: Und ich meine, ich war bis zur Wende an der Uni.
00:05:57: Ich habe ja meine Dissertation geschrieben.
00:05:59: Und wir haben das auch als Studenten natürlich sehr kritisch hinterfragt.
00:06:03: Dann kam die Wende.
00:06:04: Und du musstest dich ja in der vollkommen neuen Situation irgendwie zurechtfinden.
00:06:08: Also ich war gerade noch in der Uni, lag in den letzten Zügen meiner Dissertation und wusste nicht, würde ich jetzt anerkannt oder nicht?
00:06:14: Meine gesamte Sektion wurde abgewickelt.
00:06:17: Die philosophische Fakultät.
00:06:19: Weil ich habe ja Kulturwissenschaften, Literaturwissenschaften studiert.
00:06:22: Und durch ein paar glückliche Fügungen, auch durch meinen Doktorvater und so weiter, habe ich das Glück gehabt, dass meine Dissertation anerkannt worden ist.
00:06:31: Also ich konnte ohne eine These zu ändern.
00:06:33: über Widerstandskultur auch noch promoviert.
00:06:36: Nationsbildung und Entwicklung von Widerstandskulturen in Lateinamerika.
00:06:40: Nein, um nicht über Zuhause zu reden.
00:06:44: Obwohl ich nicht in Lateinamerika fahren durfte in der DDR.
00:06:47: Und ja, ich habe das bei der erste Folge mit Sarah ihr gefragt, was ist für dich so Heimat oder nicht Zuhause?
00:06:56: Ja, für
00:06:56: dich.
00:06:58: Also, ich muss sagen, ja, ja.
00:07:00: Das ist wirklich der Begriff Deutschland war für mich zu dir der Erzhalten in Nogo.
00:07:08: Weil eben durch die antifaschistische Einstellung, also das, was du konfrontiert wurden, war Deutschland immer so dieses Nationale.
00:07:17: Was wir eigentlich nicht wollen, wir sind international.
00:07:20: Und das habe ich von Kindheit an so bin ich geprägt.
00:07:25: Und ich tue mich auch heute noch mit dem Begriff Deutschland an sich schwer.
00:07:28: Also meine Heimat ist Thüringen, da komme ich her, da fühle ich mich auch ganz wohl.
00:07:32: Aber meine Heimat ist auch Leipzig, weil das für mich eine wunderschöne Stadt ist.
00:07:36: Wo die Familie ist.
00:07:39: Da führe ich mich wohl, aber andererseits ist ein Stück Heimat für mich z.B.
00:07:43: auch London, weil da ein Teil der Familie meines Mannes ist und weil ich mich in London unheimlich wohlfühle.
00:07:49: Weil ich mir die Stadt erschließe, obwohl ich nicht so gut Englisch spreche, leider.
00:07:53: Es ist auch ein Resultat der DDR.
00:07:58: Warte, braucht es da nicht?
00:08:02: Ja.
00:08:02: Und ich fühle mich schwer.
00:08:04: Ich fühle mich in dieser Stadt so wohl.
00:08:05: Weil man fragt sich ja dann, warum ist man so geworden und nicht anders?
00:08:09: Also ich komme aus einer kleinen Stadt, auf dem Land, in Thüringen.
00:08:13: Gleichstadt.
00:08:14: Ja, ein Dorf eigentlich.
00:08:19: Wie viele Bewohner hatte das, als du dort
00:08:21: warst?
00:08:21: Nö, dreitausend schon.
00:08:24: Ich habe mich aber nie wohlgefühlt in der Kleinstadt.
00:08:29: Ich bin dann schon mit Sechsten quasi in die Lehre und in der Leipzig und in der Naht und so.
00:08:33: Ich finde aber die Landschaft schön und erschliessend mir gerade wieder mit einer Freundin.
00:08:38: Wir machen Ausflüge, gehen wandern und die Natur und die Geschichte, das ist für mich auch Heimat und natürlich auch Essen und so weiter.
00:08:49: Also, so die Thuringer Spezialitäten und... Die
00:08:53: ich demnächst probieren werde.
00:08:54: Genau.
00:08:54: Wir freuen mich.
00:08:56: Wir machen ein Ex-Post, wo ich dann von den Bekanntroulade berichten will.
00:09:01: Genau.
00:09:03: Kannst
00:09:03: ja eine Rezension machen, genau.
00:09:06: Es gibt auch eine gewisse Herzlich... Also, ne?
00:09:08: Also, die Thuringer sind eigentlich offen.
00:09:10: Habt ihr sehen, wir haben es immer so empfunden.
00:09:12: Da merke ich aber wieder, es ist ein Unterschied, wenn ich mit meiner Freundin unterwegs bin, die ja auch bio-deutsch-weiß- und blau-äugig ist, als wenn ich jetzt mit meiner Familie unterwegs wäre.
00:09:24: Da überlege ich schon immer, können wir da hin?
00:09:29: Könnte da was passieren?
00:09:30: Das war letztens erst wieder so, da hatte meine Schwester Geburtstag und wir waren ja in so eine schöne Gaststätte eingeladen, in so eine alte Mühle, so in Thüringen.
00:09:42: Und da hab ich auch vorher überlegt, geht das gut.
00:09:45: Wenn mein Mann damit kommt, müssen wir uns auf irgendwas vorbereiten.
00:09:49: Aber es war dann ganz herzlich und die waren auch sehr respektvoll mein Mann gegenüber.
00:09:54: Und das ist ja nicht immer so, das musst du dir vorher überlegen.
00:09:57: Ja, also ich wollte zum Beispiel nicht in meiner Familie in Urlaub in die sechste Schweiz fahren oder so, oder das Erzgebirge.
00:10:05: Wie wir bereits, genau, mitbekommen
00:10:08: haben.
00:10:09: Ja, also das musst du dir als binationale Familie halt überlegen.
00:10:14: Ja, und halt mit dem Ost-West.
00:10:17: Also ich bin nach der Wende einfach, weil ich mich sowieso neu sortieren musste.
00:10:22: Na ja, Uni fertig.
00:10:23: Was mache ich jetzt?
00:10:24: Das ist eine ganz andere Situation.
00:10:26: Wenn die Wende nicht gekommen wäre, wäre es für mich auch schwierig gewesen mit meinem bi-nationalen Hintergrund, hätte ich in der DDR viele Jobs, die davor gesehen waren, nicht machen können.
00:10:37: Okay.
00:10:37: Wegen meinen Kontakten zum nicht-sozialistischen Ausland, obwohl Kuba ja sozialistisch war, aber Das wurde ja so gewertet.
00:10:45: Okay.
00:10:46: Ja, ja.
00:10:47: Und da war halt auch die Frage, was ich da mache.
00:10:52: Und da... Es kam halt die Wände und ich musste gucken, was kann ich tun und auf der anderen Seite war es auch eine Chance.
00:10:58: Also für mich war es auch eine Chance, mich halt neu zu erfinden, was zu machen.
00:11:02: Ich habe dann auch einen Verein mitgegründet, Kultursoziologie und habe dann nochmal Medienes sein gemacht und halt Projekte und habe ein Buch gemacht und so.
00:11:13: Also ich konnte vieles ausprobieren und da bin ich dann halt auch Stück für Stück, glaube ich, ganz gut in die neue Situation hineingewachsen.
00:11:21: Und zwar ist es immer irgendwie neugierig und offen.
00:11:25: Und anderen fällt es aber schwerer.
00:11:26: Aber wärst
00:11:30: du nicht so sozusagen erfolgreich gewesen, quasi die, ja, wie du gerade erzählt hast, die Wände zu überleben?
00:11:42: Also, wie wäre dann deine auch emotionale Verbindung zu dem Vergangenheit?
00:11:48: Also, wäre das anders gewesen?
00:11:50: Das kann schon sein.
00:11:51: Also ich versuch das ja auch zu verstehen.
00:11:54: Ich kann verstehen, dass Menschen sehr enttäuscht sind, auch von der ganzen Entwicklung.
00:12:00: Auf der einen Seite wollten die DDR ja auch nicht mehr.
00:12:03: weil sie sie bevormundet, sie nicht verreißen konnten wegen dem Konsum.
00:12:08: Und nun gibt sie DDR nicht mehr und der Staat, den wir jetzt haben, gefällt ihn natürlich auch nicht.
00:12:14: Und dieses Gemäckere nach oben ist ja auch DDR-typisch.
00:12:18: Also, man kann dann auch immer jemand die Schuld geben.
00:12:23: Das ist DDR-typisch.
00:12:25: Wir finden das System nicht gut.
00:12:28: Die machen das, die denken für uns.
00:12:31: Und wir machen unsere Ereignisse.
00:12:33: Wir sehen, wie wir zu Recht kommen in diesem System.
00:12:36: Wir finden zwar nicht gut, aber irgendwie finden wir schon unsere Enkel.
00:12:38: So ein bisschen überlebendemäßig.
00:12:41: Ja,
00:12:41: genau.
00:12:41: Man macht so ein Ding.
00:12:43: Wir machen unsere Ereignisse.
00:12:45: Ja, ja.
00:12:46: So ein bisschen, ne?
00:12:48: Und vielen geht es ja auch in dem Sinne gar nicht so schlecht.
00:12:50: Die haben ihr Häuschen, die haben ihr auskommen.
00:12:53: Natürlich gibt es auch den armen Rentner und so weiter, den es auch wirklich schlecht geht.
00:12:57: Aber der Großteil, die jetzt auch bei Brigida sind, oder so, das sind ja nicht die, die jetzt so schlimm gehen.
00:13:03: Und selbst denen, denen es schlimm geht, das liegt ja nicht an den Flüchtlingen.
00:13:06: Die ging es ja auch vor.
00:13:09: Ja, genau.
00:13:10: Aber das ist halt dieses Abdelegieren von Verantwortung auch.
00:13:14: indem ich das halt alles schlecht finde, also vorher fand ich schlecht und jetzt finde ich es auch schlecht.
00:13:18: Aber was ist jetzt mein eigener Anteil oder was kann ich tun, wird ja völlig ausgeblendet.
00:13:23: Es sind immer die da oben.
00:13:27: Und das ist halt auch so eine Eigenschaft.
00:13:32: Mir würde auch interessieren, was ist deine Beziehung, so auch wirklich emotionale Beziehung zu dem Westdeutschen, weil ich habe erst mitbekommen, als ich hier umgezogen bin.
00:13:44: Auch diese ganze, ja, diese Scherze mit den Bananen und solche Sachen.
00:13:53: Als ich das zum ersten Mal gelesen
00:13:54: habe, fand ich das
00:13:55: furchtbar.
00:13:56: Also ... Haben sich in den letzten fast dreißig Jahren die Sachen geändert?
00:14:04: Ist die Begegnung mit Westdeutsch immer noch ein bisschen problematisch?
00:14:08: Ich denke, da hat sich schon viel geändert.
00:14:11: Mit den Leuten, die ich Kontakt habe, einerseits das Ehrenamt, andererseits auch durch meine Arbeit, bin ich viel unterwegs in den westlichen Bundesländern.
00:14:23: Da merkt man, man redet schon über Unterschiede.
00:14:26: Das ist nicht so krass.
00:14:29: Das ist da schon vieles zusammengewachsen, würde ich schon denken.
00:14:33: So in den Anfängen, auch gerade in der Verbandsarbeit, da waren halt so lustige Sachen.
00:14:39: Wenn ich mich vorgestellt habe, habe ich immer gesagt, ich bin Kulturwissenschaftler.
00:14:43: Und dann kam immer der Protest der Frauen, dass ich doch Kulturwissenschaftlerin bin.
00:14:48: Also diese Sprache hatte für mich damals überhaupt keine Bedeutung.
00:14:53: Ja, weil das war für mich nicht wichtig.
00:14:55: Also ich fühlte mich emanzipiert.
00:14:58: Genug.
00:14:59: Genug.
00:15:00: Und musst du das jetzt noch nicht sprachlich?
00:15:02: Heute sehe ich das auch noch mal ein bisschen anders.
00:15:05: Aber damals fand ich das immer nervig.
00:15:08: Jedes Mal wurde ich korrigiert, wenn ich mich da irgendwie ... Wo ich noch so Unterschiede merke, wo ich dann manchmal denke, das ist so das Thema Mütter.
00:15:20: Also für uns war das selbstverständlich, meine Mutter hat drei Kinder großgezogen und gearbeitet.
00:15:26: Es wäre nie auf den Gedanken gekommen, wegen meinen Kindern zu Hause zu bleiben.
00:15:30: Ah.
00:15:31: Weil, ähm, ja?
00:15:33: Wir haben Sozialismus, jeder hat gearbeitet.
00:15:35: So, das war für mich selbstverständlich.
00:15:39: Das ganze Kindergarten
00:15:42: und Hort
00:15:42: und so was, das war viel besser ausgebaut.
00:15:44: Die
00:15:45: Voraussetzungen waren ja auch andere.
00:15:46: Natürlich war das zum Teil extrem.
00:15:48: Ich selber hab den Kindergarten nicht sehr gemacht und wurde immer krank.
00:15:53: Das ist mir auch im Nachhinein auch nochmal so meine eigene Abwehr verdeutlicht hat.
00:15:58: Aber meine Kinder mussten ja jetzt nicht früh um sechs in den Kindergarten oder sowas.
00:16:03: Also das war alles schon relativ liberal.
00:16:07: Aber halt diese Denke, also wer ist eine gute Mutter oder wer ist eine schlechte Mutter, diese ganze Diskussion mit Rabenmüttern und kann ich meinen Kind weggeben und so weiter.
00:16:16: Das spielt im Westen eine viel größere Rolle als im Orten.
00:16:20: Also für uns war das selbstverständlich.
00:16:24: Und ich glaube auch meine Kinder haben da jetzt keine negativen Folgen davon, dass sie halt im Kindergarten waren und in der Kindergruppe.
00:16:34: Also man kann das denke ich auch durch eine qualitativ gute Zeit mit seinen Kindern ausgleichen.
00:16:40: Ja, so
00:16:41: was.
00:16:41: Es sind alle so wirklich spannende, so gesellschaftliche Aspekte, an denen man nie denkt, wirklich, also so wie viele ja bei der Kultur geprägt
00:16:50: haben, dass es eigentlich
00:16:51: kein einziges Deutschland noch gibt.
00:16:54: Das ist ein bisschen wie, ich denke immer, an die große Unterschiede, die in Italien zwischen den Jewaligen und Jungen haben,
00:16:59: zwischen Norden und so
00:17:01: den gibt.
00:17:02: Das sind zwei getrennte Welten im Endeffekt.
00:17:06: Das ist andere Sprache, mit dem Dialekt und alles.
00:17:09: Das ist andere familiären Kultur.
00:17:12: Ja, die sind auch historisch anders geprägt.
00:17:15: Ja, total.
00:17:16: Und hat ihr eine ganz andere Geschichte als Notetalien?
00:17:19: Total, total.
00:17:21: Und deswegen finde ich ja auch diese... Wie kann ich das sagen?
00:17:26: Ich tue mich schwierig, über die Fälle in Chemnitz oder damals in Dresden als Pegida
00:17:36: begründet würde,
00:17:38: zu reden, wenn ich damals keine Begegnung hatte mit den Menschen.
00:17:42: Weil ich finde immer,
00:17:44: bevor
00:17:44: man was sagen
00:17:46: darf
00:17:47: über irgendjemand, soll es zuerst Die möchte ich persönlich kennenlernen.
00:17:52: Ja, das ist gut.
00:17:54: Das ist ... ähm, ja.
00:17:56: Aber
00:17:56: mir würde auch interessieren, was ist zwar deine Perspektive, also auch deine Zugeödigkeit im Endeffekt.
00:18:04: Ja,
00:18:05: du bist ...
00:18:06: hier geboren in so ehemaliger DDR.
00:18:09: Und ich fand eigentlich ganz spannend, als wir uns zum ersten Mal kennengelernt haben.
00:18:14: Ja, ja, genau.
00:18:15: Es war genau eine Diskussion zu machen wir etwas zu dreizig Jahre Wende.
00:18:21: Und du hast in der Runde mal gesagt, eigentlich, es gibt auch die Perspektive der Leute, die nach der Wende geboren sind und keine Verbindung mehr dazu haben.
00:18:31: Und ja, ich find total spannend, was sind ... Denn für dich die Hauptunterschiede, die du merkst, im Vergleich auch zu deiner
00:18:40: Mutter
00:18:40: oder zu anderen Familienangehörigen, wie du das hier wahrnimmst oder die Wende wahrgenommen hast, weil es ist im Endeffekt etwas, was du nicht ... Also du kennst kein Vorher im Endeffekt.
00:18:53: Ja, klar.
00:18:53: Ich bin in einem Vereinigten Deutschland geboren und aufgewachsen.
00:18:57: Ja.
00:18:57: Deutschland.
00:18:57: Deutschland.
00:19:00: Nee, aber ich weiß nicht, dass ... Das hab ich ja auch gesagt in der Runde, wenn das nicht so oft reproduziert werden würde.
00:19:09: Also, vor allem von älteren Menschen höre ich dann, ja, die scheißwässig ist und die kommen hierher und ... Ach, was soll ich machen?
00:19:15: Also, ganz furchtbare Sachen, die ich total bescheuert, finde ich ehrlich gesagt.
00:19:19: Wenn das nicht reproduziert würde, also vor der Generation, die das überhaupt nicht mehr erlebt hat, dann würden wir die Mauer nicht mehr in unserem Kopf haben.
00:19:27: Und trotzdem, also, ich persönlich denke manchmal dann doch irgendwie in Ost und West, obwohl das meiner Meinung nach ein bisschen bescheuert ist, in einem geeinten Land im Endeffekt.
00:19:36: Man sollte viel mehr ... Also, ich finde, man sollte das nicht so krass reproduzieren.
00:19:41: Ich finde es wichtig, dass man über die Geschichte redet und was daraus entstanden ist.
00:19:45: Und die verschiedenen, ja doch zwei verschiedene Kulturen und so was.
00:19:48: Aber da so nostalgisch andauernd davon irgendwie zu reden, das hat mich halt auch bestört bei dieser Debatte darum.
00:19:57: Es ist viel wichtiger, vielleicht auch mal so die Perspektiven zu sehen, die damals geherrscht haben und die jetzt vielleicht irgendwie da sind und da mal irgendwie zu gucken, dass die Bewegung von früher und das haben die gemacht und das waren ja auch unglaublich aufgewühlte und wilde Zeiten, was so politische Sachen angeht.
00:20:16: Und das sind in so einer Zeit leben wir auch heute, also eine Mischung aus Aufbruchsstimmung und Angst und ganz ganz viele Gefühle.
00:20:24: Und ich glaube, da könnte man schön ein Porträt machen, also von zwei Generationen, die beide irgendwie jung sind in einer ganz ganz verrückten Zeit.
00:20:31: Und das finde ich schön, wenn man da mal so ein paar Gemeinsamkeiten sieht und da nicht immer nur Ost-West und ja, es ist irgendwie... Meine Generation macht sich da auch gerne drüber lustig, weil wir diese Sätze so oft gehört haben.
00:20:45: Also ganz typische Sätze.
00:20:46: Da damals, in der DDR war ja auch nicht alles schlecht und so weiter und so fort.
00:20:50: Und wir wissen das ja auch gar nicht mehr.
00:20:52: Und wir machen uns ja selber
00:20:53: trotzdem
00:20:53: über Bananen lustig und über Südfrüchte und sowas, obwohl wir das ja überhaupt nicht kennen.
00:20:59: Und
00:21:01: die
00:21:01: Mauer würde so in dem Sinne nicht existieren, wenn nicht andauern, von Ost und West geredet werden würde.
00:21:08: kann man, glaube ich, besser aufarbeiten.
00:21:10: Und ich glaube, man sollte viel mehr sich darauf konzentrieren, dass wir doch irgendwie jetzt ein Land sind und irgendwie miteinander klarkommen müssen.
00:21:16: Na ja, gut.
00:21:17: Aber trotzdem muss ich dir
00:21:19: da
00:21:21: ein bisschen widersprechen, weil... diese Erfahrung durch die Wände.
00:21:26: Also wie gesagt, ich habe mich dann letztendlich ganz gut zurechtgefunden und habe für mich ja auch eine Perspektive, aber viele, denen ist ja wirklich das Leben weggebrochen, weil die Betriebe wurden einfach zugemacht, egal, ob die vielleicht noch wirtschaftlich gewesen wären oder nicht.
00:21:44: Und mit den Betrieben, also mit der Arbeit, verband sich ja auch in Selbstverständnis.
00:21:50: Die waren ja stolz darauf, in zum Beispiel im Kirov-Werk oder irgendwo zu arbeiten.
00:21:55: Das hat man heute nicht mehr in
00:21:56: der Sendung.
00:21:57: Das war ja verbunden auch fürs Leben.
00:22:00: Also wenn du immer dort gearbeitet hast, dann bist du zur Rente da auch gewesen, hattest ein Arbeitskollektiv.
00:22:06: Die haben viel auch gemeinsam gemacht, war ja in der DDR so die Brigade.
00:22:11: Und haben daraus auch ihre Identität bezogen.
00:22:16: Und das ist von einem Tag auf den anderen und da gab es ja wirklich schlimme Sachen, einfach weggebrochen.
00:22:22: Also da ist auch mit den Leuten nicht gerade gut umgegangen.
00:22:26: Und das prägt natürlich aber dann auch die Kinder.
00:22:29: Ja, ja, nee, ich will das ja auch gar nicht leugnen, aber ich möchte das mal kurz mit einem Beispiel erklären, was ich meine.
00:22:35: Und zwar in Leipzig höre ich ganz oft, dass die, also wirklich junge Leute, um die zwanzig, haben wirklich noch nichts von der DDR oder dem Westen mitgekriegt, aber schimpfen darauf, dass Wessys in die Studienplätze wegnehmen.
00:22:47: Und das finde ich so bescheuert,
00:22:49: weil das sind
00:22:49: einfach auch andere Deutsche, die selbst auch
00:22:52: die DDR oder dem Westen
00:22:53: nicht mitgekriegt haben.
00:22:54: Und das sind einfach nur andere Deutsche, die in eine andere Stadt gezogen sind, weil sie gehört haben, Leipzig ist ja auch toll.
00:23:00: Ich weiß nicht, wie man das nicht gemeinsam genießen kann.
00:23:03: Zumal kann man dort auch noch billig wohnen, anders als in München.
00:23:09: Es sind Vorteile, die auch aus dem Osten entstanden sind, dass es sozialer Wohnungsbau mehr dort gibt und mehr bezahlbaren
00:23:18: Wohnungen.
00:23:21: Aber da zu sagen, die Wessis nehmen uns jetzt den Studienplatz weg, das ist doch furchtbar.
00:23:25: Das ist mein Problem.
00:23:27: Ich will gar nicht
00:23:28: sagen, dass
00:23:29: da keine Realitäten zusammengebrochen sind.
00:23:31: Das ist wirklich bescheuert.
00:23:32: Wir sind jetzt in Deutschland und da hat jeder das Recht.
00:23:36: Das ist ja auch gerade das Schöne.
00:23:37: Ich finde das nach wie vor so, dass ich dahin gehen kann, wo ich möchte.
00:23:42: Also diese Erfahrung zu haben, dass da ist eine Mauer.
00:23:45: Und ich kann jetzt nicht weiter.
00:23:48: Ja, also ich genieße das heute immer noch, dass ich einfach irgendwo hinfahren kann.
00:23:54: Also das ist was, was ich sehr schätze, wo ich sehr dankbar bin, weil dieses Eingeschlossen sein, das macht ja auch was mit einem.
00:24:02: Du stehst vor der Mauer und kannst nicht weiter beim Einsatz deines Lebens.
00:24:07: Kannst du diese Mauer nicht überwinden?
00:24:09: Und ich war in der Situation, dass ich neun in achtzig im Juni.
00:24:14: Da gab es ja dann so ein paar Erleichterungen und ich durfte meinem Onkel im Westen besuchen im Saarland.
00:24:19: Mit meinem Bruder, also Brüderchen und Schwesterchen reißen in den Westen.
00:24:23: Und das war im Juni neunundachtig.
00:24:26: Und da war ja überhaupt nicht klar, wie das weitergeht.
00:24:29: Und diese Erfahrung an der Grenze, also wir haben fünf Stunden gebraucht bis Frankfurt am Main.
00:24:35: Und ich habe mich wahnsinnig erstaunt über dieses Kraftwerk.
00:24:40: dass Pink angestrichen war in Frankfurt am Main.
00:24:42: Ich konnte es nicht fassen.
00:24:44: Ich kannte ja nur Schmutzige, Schlöte, alles grau und schmutzig und ist dank.
00:24:51: Und dann kommen wir nach Frankfurt am Main und dann dieses Kraftwerk Pink an.
00:24:55: Das war für mich unfassbar.
00:25:01: Und diese Grenzerfahrung, die hat quasi auch meinem Verhältnis noch den letzten Stoß gegeben.
00:25:07: Also diese Grenzkontrolle, dass ich die Mauer, also diese Grenze gesehen habe, die eigentlich ja unüberwindbar war.
00:25:16: Und dass mir bewusst geworden ist, du kamst ja als DDR-Burger ja überhaupt nicht in die Nähe der Grenze.
00:25:22: Und da hatte ich die Gelegenheit, halt über diese Grenze zu fahren.
00:25:26: Und also das hat mich damals unheimlich erschüttert.
00:25:30: Und auch diese Atmosphäre in dem Zug, weil viele sind ja nicht wiedergekommen.
00:25:36: die dahin gefahren sind.
00:25:38: Und da war dann auch so eine Ausmüpfigkeit gegenüber diesen Grenzsoldaten.
00:25:42: Ich habe dann heimlich, als wir zurück, also ich musste ja meine Familie hier lassen, meinen damaligen Mann und meinen Sohn, damit ich auch wiederkomme.
00:25:50: Und dann habe ich heimlich hier den Spiegel quasi geschmuggelt und dieses Gefühl und diese Erfahrung.
00:25:58: auch den Stiebchen zu schlagen und so weiter.
00:26:00: Und halt auch, wie die Leute dann miteinander sich unterhalten haben.
00:26:05: Und also das war dann auch schon so eine Auflösungserscheinung der DDR.
00:26:09: Das hätte sich vorher keiner getraut.
00:26:11: Und man hatte so unterschwellig das Gefühl, hier passiert etwas.
00:26:15: Obwohl keiner gewusst hat, dass dann wirklich am Ende des Jahres die Grenze offen ist.
00:26:19: Dass da so viel passiert.
00:26:20: Aber das war schon so eine Abschiedsstimmung.
00:26:26: Wir sind wirklich eingeschlossen.
00:26:29: Man nimmt uns die Möglichkeit, rauszugehen und andere Perspektiven einzunehmen.
00:26:35: Das ist mir zu dem Zeitpunkt noch mal ganz deutlich bewusst geworden.
00:26:40: Und hat dann auch meinen Verhältnis zu DDR noch mal sehr ... Ja, ich bin zwar wiedergekommen, aber ... Also, solche zum Teil auch völlig surrealen Sachen.
00:26:53: Aber du kamst nicht, also in Berlin gut, da standste dann auch vor der Mauer und das war für mich ein unheimliches Gefühl, wo ich das erste Mal das Brandenburger Tor gegangen bin nach der Bände.
00:27:05: Das war irre.
00:27:09: Und das macht natürlich auch etwas für den Menschen.
00:27:14: Ich habe ja die Liebe nach wie vor auch Christa Wolf und wenn man die Kasantwa liest und ihre Betrachtung, dass es auch zu spät sein kann, bestimmte Orte zu besuchen.
00:27:23: Weil wenn man jung ist, noch mal Dinge ganz anders sieht, als wenn man ein älter ist.
00:27:28: Und wenn das einen genommen wird, halt das wirklich frei zu bewegen.
00:27:35: Und das macht ja was mit den Menschen.
00:27:38: Ja, deswegen finde ich auch... ein bisschen bescheuert diese Verhalten, vor allem dessen, dass diese Unterschiede einfach nicht vor dem Jahr zweizehntausendfünfzehn wahrgenommen würden.
00:27:53: Man hat sie, also mit Pegida, dann war plötzlich wahr und hat bemerkt, oh!
00:27:58: Da gibt es einen Unterschied.
00:28:00: Da sind die Sachen und den Menschen anders gelaufen quasi.
00:28:04: Ja,
00:28:04: ja.
00:28:05: Also ich habe so das Gefühl, wie auch in den Medien betrachtet würde, dass nach der Wende es wird alles so pauschalisiert.
00:28:14: Ja, ja.
00:28:15: Bühnen, Landschaften.
00:28:16: Rosa,
00:28:18: also Brüder.
00:28:19: Es ist alles gut.
00:28:20: Wir sind jetzt alles ein.
00:28:22: Vor ein paar Tagen ist diese auch Studie rausgekommen.
00:28:26: Was sind denn die wirtschaftliche Unterschiede zwischen Osten und West?
00:28:29: Also das ist schon beachtenswert, dass nach so viele Jahren, obwohl natürlich dem Unterschied nicht so krass ist, aber im Oste, sieben Prozent zwei Prozent Arbeitslosigkeit gibt, während im Westen fünf Prozent eins oder also auf jeden Fall zwei Prozent Unterschied, was in dem gleichen Land schon krass ist.
00:28:50: Und
00:28:51: man rechnet nicht damit, dass im eigentlichen Arbeitslosigkeit im Osten noch über sein könnte, wenn nicht so viele Leute nach dem Westen
00:29:00: gezogen sind.
00:29:02: Ja genau, sind ja viele gegangen.
00:29:03: Genau.
00:29:04: Und dann ist es ja auch nach wie vor so, wir arbeiten länger.
00:29:07: Wir arbeiten ja immer noch vierzehstunden und kriegen immer noch weniger Geld.
00:29:12: Und das nach dreißig Jahren ist schon sehr merkwürdig.
00:29:17: Und das macht natürlich auch was mit den Leuten.
00:29:20: Ja, klar.
00:29:20: Warum?
00:29:21: Man fühlt sich weniger
00:29:23: wert.
00:29:23: Ja, genau.
00:29:24: Und wie gesagt, das ist noch nicht mal so sehr halt der soziale Aspekt, sondern dieses Nicht-gehört-Werden.
00:29:32: Also ich muss sagen, ich habe sehr große Probleme mit Pegida.
00:29:35: Und ich finde, das kann ja auch vieles nicht nachvollziehen, vor allen Dingen auch nicht diesen Hass.
00:29:41: Aber auf der anderen Seite ist es natürlich wirklich so, dass das Lebensgefühl der Menschen, die ja auch geschätzt werden wollen, die eine Bedeutung haben wollen, eben völlig negiert worden ist.
00:29:54: Und natürlich ist es auch noch mal ein Unterschied, ob ich in der Großstadt wohne, wo halt ja auch die Vielfalt viel größer ist und so weiter.
00:30:02: Oder auf dem Land, wo ich merke, hier fällt immer mehr weg.
00:30:05: Also da ist die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel.
00:30:10: Es gibt keine Schulen mehr Einkaufsmöglichkeiten, also so eine Lebensqualität auf dem Land.
00:30:16: Und keiner, keine interessiert das.
00:30:19: Also ich sehe das ja auch an der Stadt, wo ich eben herkomme.
00:30:23: Das war damals ein Zentrum der Textilindustrie Teppich-Herstellung.
00:30:30: Da hat ein Betrieb überlebt.
00:30:33: Und alles andere ist weggebrochen.
00:30:35: Das war natürlich Arbeit für die Stadt, aber auch für die ganzen umliegenden Dürfe.
00:30:41: Es hatte eine ganz andere Infrastruktur.
00:30:43: Es gibt nur eine Kneipe dort im Ort.
00:30:45: Früher gab es sechs oder sieben.
00:30:48: Und so geht es immer weiter.
00:30:50: Und da muss man ja auch ansetzen.
00:30:53: Und du hast vorher gemeint, dass du da gewohnt hast, es gab ungefähr dreitausend Einwohner.
00:30:59: Wie sind denn denn jetzt?
00:31:01: Wie viele sind
00:31:02: es?
00:31:02: Ja, als ich dort gewohnt habe, waren es ungefähr dreitausend fünfhundert.
00:31:05: Jetzt sind wir vielleicht bei zweitausend achthundert oder so.
00:31:08: Also, das ist jetzt nicht so dramatisch in dem Sinne.
00:31:12: Aber man merkt es halt, die Zurückgang an der Grundschule und die ganze Infrastruktur.
00:31:19: Es ist halt viel schlechter geworden.
00:31:22: Also am Wochenende fährt Zwimmer im Bus oder die medizinische Versorgung.
00:31:28: Also diese Folge wird vielleicht wahrscheinlich etwas länger als die anderen.
00:31:35: Aber ich fand das total... Also wir werden vielleicht einige an den anderen Stellen etwas wegschneiden.
00:31:42: Aber ich finde mal... ganz passend zu die Farbe der Nation auch über diese Ost und West kulturelle Unterschiede zu reden, indem man ja, also wir haben immer über Heimat, Identität, Gehörigkeitsgefühl und auch das ist, was in mich selbst liegt.
00:32:05: Also es sind alle Themen, die auch was zu tun haben, zu was sind denn?
00:32:12: Deutsche.
00:32:12: Also irgendwie kann man das beschreiben.
00:32:17: Ja, an sich auch so ein unheimnisvielfältig.
00:32:19: Was sind Deutsche?
00:32:22: Sie sind so unterschiedlich geprägt.
00:32:24: Es ist ja ein Unterschied, ob ich in Norddeutschland bin oder in Bayern und es ist schon eine ganz andere Art, miteinander umzugehen.
00:32:33: Aber ich finde es ja auch schön, dass es so ist eigentlich.
00:32:37: In diesem Vielfalt macht auch Deutschland aus.
00:32:42: Schon mal ohne Menschen mit Migrationshintergrund, die ja dann auch noch mal andere Aspekte reinbringen.
00:32:48: Aber Es gibt doch, also für mich ist immer das Schlimmste so eine Vereinheitlichung.
00:32:56: Und es hat auch sicher was mit dem Kollektivismus im Sozialismus zu tun, dass alle nach einem Schema funktionieren müssen.
00:33:04: Und jeder, der irgendwie ein bisschen anders ist, der funktioniert nicht in diesem System.
00:33:08: Also für mich ist die Vielfalt ganz wichtig.
00:33:11: Und ich finde das schön.
00:33:13: Und daher gibt es halt auch viele Möglichkeiten, was für mich Heimat ist oder wo ich mich wohlfühle.
00:33:19: Und natürlich ist Heimat auch immer was, was mit Kindheit zu tun hat.
00:33:25: Ich hatte eine schöne Kindheit.
00:33:27: Nicht mit viel Wohlstand, aber trotzdem behütet.
00:33:32: Mit dem Stollen, den man beim Bäcker
00:33:34: gebacken wurde?
00:33:35: Ja, genau.
00:33:37: Den meine Mutter gebacken hat.
00:33:39: Wir hatten in Wunderschön-Garten.
00:33:42: Ich habe da viel Liebe erfahren als Kind.
00:33:47: Kann ich nicht anders sagen.
00:33:48: Das ist natürlich das Brägtein und das mit Heimat verbunden.
00:33:52: Aber ich kann mir halt auch andere Orte erschließen, in denen ich mich wohlfühle.
00:33:57: Und das ist für mich auch Heimat.
00:33:59: Es hat immer was mit Wohlfühlen, mit Freunden zu tun.
00:34:03: Kann ich mich verständlich machen.
00:34:05: Kann ich aktiv an irgendwas teilnehmen.
00:34:10: Brauche ich keine großen Erklärungen, wenn ich was machen möchte oder so.
00:34:16: Und in Thüringen, wo ich ursprünglich herkomme und wo ich mich immer noch auch zu Hause fühle, habe ich ja auch Freunde.
00:34:23: Und wenn ich die besuche, dann hat man auch so Anknipfungspunkte natürlich an Jugend, an Kindheit oder an Orte, wo man gewesen ist.
00:34:31: Und man kann sich dann auch wieder Orte neu erschließen.
00:34:35: Also, was mich immer so dieses alles in einer Form oder so eine Definition oder ... So dieses Festgefahren.
00:34:45: Ich muss mir auch immer noch eine andere Perspektive offen lassen.
00:34:50: Danke.
00:34:51: Wirklich.
00:34:53: Wie fandest du, Sarah,
00:34:55: das Gespräch?
00:35:00: Ich fand es ganz, ganz spannend.
00:35:03: Ich höre auch gern zu, ne?
00:35:04: Ich hab mich jetzt nicht genannt, weil die Idee war, dass es darüber kommt.
00:35:09: Aber hattest du diese Gespräche schon mit deine Mutter gehabt?
00:35:14: Ja, natürlich.
00:35:15: Wir reden ja auch sehr viel, ne?
00:35:17: Wir haben uns ja ganz lieb.
00:35:21: Ja, nee, aber trotzdem erzählt sich dann
00:35:23: doch immer mal auch was anderes.
00:35:25: Und auch Dinge, die ich jetzt nicht wusste so zwingend, ne?
00:35:27: Und
00:35:28: von daher, also ... Das war jetzt auch sehr interessant, muss ich sagen.
00:35:33: Ist auch mal noch mal
00:35:33: eine andere
00:35:34: Perspektive.
00:35:35: Danke wirklich für deine Zeit.
00:35:37: Ja, danke.
00:35:37: Und das war's für diese Folge.
00:35:39: Folgt unsere Gespräche auf SoundCloud, Apple Podcasts, Spotify oder sonst wo ihr Informationen über die Petra Kelli-Stiftung und weiterdenken kriegt.
00:35:46: Und nächste Woche, Mittwoch, ab fünfzehn Uhr geht's dann um ... eine Geschichte von Carmen.
00:35:54: Und was Sprache in der Integration bedeutet.
00:35:57: Genau.
00:35:58: Also, ganz spannend.
00:36:00: Ich hoffe, es wird's gut.
00:36:02: Keine Ahnung.
00:36:04: Die Musik ist von Kevin MacLeod und wir freuen uns auf nächste Woche.
00:36:10: Mittwoch.
00:36:11: Trimpfste nur.
00:36:12: Gleiche Ort, gleiche Zeit.
00:36:14: Ciao.
00:36:14: Tschüss.
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